Der Fiskus ergänzt seit September die Steuerbescheide für Rentner. Das Finanzamt stattet die Bescheide mit einem sogenannten „Vorläufigkeitsvermerk“ aus. Dieser bezieht sich auf die Rentenbesteuerung. Ruheständler, die der Auffassung sind, sie seien doppelt besteuert worden, müssen nun keinen Einspruch mehr einlegen. Allein bis Ende April waren bei der Finanzverwaltung 142.000 Einsprüche eingegangen.
Was die Ergänzung bedeutet
Rentner, die nach dem 1. September einen Steuerbescheid vom Finanzamt erhalten, finden diesen Vermerk auf ihrem Bescheid. Die Vorläufigkeit wird allen ab jetzt ausgestellten Bescheiden hinzugefügt, auch den Festsetzungen für zurückliegende Jahre (ab Veranlagungszeitraum 2005). Das heißt aber auch: Bereits rechtskräftige Steuerbescheide bleiben davon unberührt. Wer in den letzten vier Wochen einen Bescheid erhalten hat, kann innerhalb der Einspruchsfrist beantragen, dass der Vorläufigkeitsvermerk noch mit aufgenommen wird.
Zudem erhalten Rentner ab jetzt auch diesen Hinweis im Finanzamtsbescheid:
„Sollte nach einer künftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs dieser Steuerbescheid Ihrer Auffassung nach hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unterlagen von Ihnen. Von Amts wegen kann ich Ihren Steuerbescheid nicht ändern, weil mir nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen.“
„Wir verstehen das so: Praktisch wird diese Hürde kaum ein Rentner nehmen können,“ sagt Tom Zedler von der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V., Lohnsteuerhilfeverein, Beratungsstelle Hamburg. Und rät Rentnern aber auch ganz grundsätzlich, sich keine falschen Hoffnungen zu machen: „Eine doppelte Besteuerung kann es bis heute allenfalls in seltenen Einzelfällen geben. Gerichtlich nachgewiesen wurde noch kein einziger Fall.“
Das FG Baden-Württemberg hat im März 2021 geurteilt, dass eine doppelte Besteuerung vorliegt, „wenn die einem Steuerpflichtigen voraussichtlich steuerunbelasteten Rententeilbeträge geringer sind als die von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen“ (Az. 1 K 937/19).
Reaktion auf die BFH-Urteile
Dies ist die erste Reaktion der Finanzverwaltung auf die Urteile des Bundesfinanzhofes zur doppelten Besteuerung von Renten. Ende Mai hatte das höchste deutsche Finanzgericht die Klagen von zwei Rentnern abgewiesen, die glaubten, ihre Renten seien doppelt besteuert worden (Az.: X R 20/19 und X R 33/19).
Ganz allgemein hatten die Finanzrichter jedoch vor einer „drohenden doppelten Besteuerung künftiger Rentnergenerationen“ gewarnt.
„Wir gehen davon aus, dass die nächste Bundesregierung die notwendigen Steuerreformen in Angriff nehmen wird“, sagt Tom Zedler.
Hintergrund
Die neuen Vermerke der Finanzverwaltung haben keine Auswirkungen auf all die Einspruchsverfahren, die Ruheständler bislang angestoßen haben. Allein bis Ende April sollen 142.000 Rentner Einsprüche gegen ihre Steuerbescheide eingelegt haben, so die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage im Bundestag.
Der Streit um eine doppelte Besteuerung ergibt sich aus der Rentenreform. Seit 2005 wird die Rente umgestellt auf die nachgelagerte Besteuerung. Das Prinzip dabei: Die Rentenzahlungen werden zunehmend besteuert. Parallel dazu verringert sich die Steuerbelastung im Erwerbsleben: Die Rentenbeiträge können zu einem immer höheren Anteil von der Steuer abgesetzt werden.
In Kürze gerät dieses Prinzip jedoch aus dem Gleichgewicht: Die Steuerentlastungen im Erwerbsleben halten nicht Schritt mit der Steuerbelastung im Rentenalter. Spätestens bei Renteneintritt nach 2025 würde es nach dem bisherigen Rentenmodell zu einer generellen doppelten Besteuerung kommen.
Tom Zedler: „Das Risiko der doppelten Besteuerung müssen wir natürlich im Blick behalten.“ Jenseits davon seien aber auch andere Punkte wichtig. Einer davon: „Immer noch glauben viele Rentner, sie müssten keine Steuern zahlen.“ Bis sie dann einen Brief vom Finanzamt bekämen und mitunter viel Geld nachzahlen müssten. Tom Zedler: „Gut beraten ist, wer rechtzeitig einen Lohnsteuerhilfeverein oder einen Steuerberater aufsucht.“ |